Pflegegrade statt Pflegestufen
In letzten Wochen werde ich immer wieder gefragt, was die neuen „Pflegegrade“ sind bzw. was der Unterschied zu den bestehen Pflegestufen ist. Daraus ergibt sich oft die zweite Frage, wie sich die neuen Pflegegrade ab dem 1.01.2017 auf die bestehenden Pflegezusatzversicherungen auswirken.
Die neuen Pflegegrade ab dem 01.01.2017
Heute kennen wir die Pflegestufen I, II und III, sowie die später hinzugekommene Pflegestufe „0“. In Pflegestufen I, II, und III wurden hauptsächliche körperliche Einschränkungen erfasst. Personen mit psychischen Einschränkungen kamen dann in die Pflegestufe „0“. Das Problem ist bis heute, dass gerade Personen in der Pflegstufe „0“ teilweise einen sehr hohen betreuerische Aufwand in Anspruch nehmen, aber 123,-€ bei der Pflege durch Angehörigen bzw. 231,- € bei der Pflege durch einen ambulanten Pflegedienst durch die gesetzliche Pflegepflichtversicherung erhalten. Mit der Umstellung der Pflegestufen in die Pflegegrade sollen die schon lange kritisierten Pflegestufen, wie sie uns heute bekannt sind, an die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz (Pflegebedürftige mit eingeschränkter Alltagskompetenz) angepasst werden.
Pflegegrade allgemein
Es wird einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff geben, der Personen mit demenziellen Erkrankungen mehr in den Vordergrund rückt. Als wichtigste Neuerung werden psychische und physische Faktoren bei der Beurteilung einer Pflegebedürftigkeit gleichgesetzt. Bisher wurden hauptsächlich die körperlichen Einschränkungen betrachtet, in Folge dessen die verschiedenen Zeitbedarfe ermittelt wurden, wenn es um die Ermittlung der Pflegestufe ging. Mit in Kraft treten des Pflegestärkungsgesetz II sprechen wir dann ab dem 01.01.2017 nicht mehr von Pflegestufen sondern von Pflegegrade.
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Einstufungen in Pflegegrade
Mit der Einführung der neuen Pflegegrade wird mit den sogenannten Begutachtungsassessment (NBA) ein neues System zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit geschaffen. Es wird weiterhin geprüft, inwiefern der Pflegebedürftige in der Lage ist, seinen Alltag selbst zu gestalten. Bisher wurde aber primär den körperliche Einschränkung und Defiziten Aufmerksamkeit geschenkt. Dies wird sich ändern, denn auch die Geistige Verfassung wird zukünftig in die Bewertung einbezogen. Generell soll der Grad der „Selbstständigkeit“ das neue Kriterium bei der Einstufung in die Pflegegrade sein und nicht der Grad der „Unselbständigkeit“ Im alten Begutachtungssystem standen die einzelnen detaillierten Zeit- und Minutenbedarfe im Fokus der Gutachter. Auf die bisherige Zeitmessung wird verzichtet. Stattdessen wird eine neue Messmethoden (NBA) angewandt.
Die Pflegegrade werden mit Hilfe einer Punktevergabe ermittelt. Auf einer Skala von 0 bis 100 wird dann eine Einteilung in eine der fünf Pflegegrade vorgenommen. Im Neuen Begutachtungsassessment (NBA) werden sechs Bereiche medizinisch begutachtet. Für die sechs Bereiche existieren je Pflegegrad Richtwerte. An diesen Richtwerten orientieren sich dann die Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MdK) bei der Bewertung des Pflegegrades. Zukünftig werden die Pflegebedürftigen ganzheitlich im Bezug auf ihre Selbstständigkeit bewertet, so dass die detaillierte minutengenaue Messung im Neuen Begutachtungsassessment (NBA) keine Rolle mehr spielen wird.
Die Gutachter beurteilt den Grad der Selbstständigkeit in sechs unterschiedlich gewichteten Bereichen. Diese Bereiche (Module) entsprechen den in § 14 Abs. 2 SGB XI festgelegten Bereichen:
Modul 1: Mobilität
Modul 2: Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
Modul 3: Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
Modul 4: Selbstversorgung
Modul 5: Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen
Modul 6: Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte
Bei der Begutachtung wird jedes Modul gesondert betrachtet und jeweils geprüft, wie selbstständig die Person die Aufgaben bewältigen kann bzw. inwieweit sie abhängig von personeller Unterstützung ist. Die Ergebnisse der einzelnen Bereiche werden dann gemäß den gesetzlichen Vorgaben in § 15 SGB XI unterschiedlich gewichtet. Zur Ermittlung der Pflegegrade werden die Teilergebnisse der Module 1 bis 6 unterschiedlich gewichtet und dann zu einem Gesamtergebnis addiert.
Ermittlung des Pflegegrades:
0 bis 9 Punkte:Keine Pflegebedürftigkeit
10 bis 29 Punkte: Pflegegrad 1
30 bis 49 Punkte: Pflegegrad 2
50 bis 69 Punkte: Pflegegrad 3
70 und mehr Punkte: Pflegegrad 4
Pflegegrad 4 + besondere Bedarfskonstellation: Pflegegrad 5
Die Pflegegrade im Einzelnen
Pflegegrad 1 Geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
Der Pflegegrad 1 ist die niedrigste Stufe der Pflegebedürftigkeit und kann für Menschen in Frage kommen, welche Grundbedingungen für die bisherigen Pflegestufen nicht erfüllt haben. Eine wichtige Änderung ist, dass nun nicht mehr die Zeit als Messmethode genommen wird, sondern eine Punktevergabe erfolgt. Die Anzahl der Punkte wird dann in eine Skala übertragen und daraus der Pflegegrad ermittelt. Der Pflegegrad 1 wird denjenigen zugesprochen, die einer geringen Beeinträchtigung der Selbstständigkeit unterliegen und die bei der Pflegebegutachtung auf 12,5 bis 27 Punkte kommen. Pflegebedürftige erhalten somit Leistungen zur Sicherstellung und Gewährleistung der häuslichen Versorgung.
Voraussetzungen
Tägliche Grundpflege: 27 – 60 Minuten
Psychosoziale Unterstützung: bis 1x täglich
Nächtliche Hilfen: Nein
Präsenz tagsüber: Nein
Leistungen
Geldleistung ambulant: 0 €
Geldsachleistung ambulant: 125 € Pflegegeld
stationär: 125 €
Lesen Sie dazu auch unseren Beitrag: Pflegegrad 1 Voraussetzung
Pflegegrad 2 – Erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
Pflegegrad 2 ersetzt zukünftig die bestehenden Pflegestufen 0 und I (ohne eingeschränkte Alltagskompetenz). Pflege- und hilfebedürftige Personen werden in Pflegestufe 1 eingestuft, wenn sie täglich sowohl mindestens einmal Hilfe bei Verrichtungen aus dem Bereich „Körperpflege, Ernährung und Mobilität“ benötigen als auch durchschnittlich jeweils 45 Minuten Hilfe in den Bereichen der Grundpflege und Hauswirtschaft. Die Voraussetzung für Pflegegrad 2 soll zukünftig all jener erfüllen, der täglich 8 bis 127 Minuten Unterstützung bei der Grundpflege, weniger als 6 Stunden am Tag begleitet werden muss und bis zu 12 Mal täglich psychosoziale Unterstützung bzw. maximal 1 Mal nächtliche Hilfe benötigt.
Eine wichtige Änderung ist, dass nun nicht mehr die Zeit als Messmethode genommen wird, sondern eine Punktevergabe erfolgt. Die Anzahl der Punkte wird dann in eine Skala übertragen und daraus der Pflegegrad ermittelt. Der Pflegegrad 2 wird denjenigen zugesprochen, die einer erheblichen Beeinträchtigung der Selbstständigkeit unterliegen und die bei der Pflegebegutachtung auf 27 bis 47,5 Punkte kommen.
Voraussetzungen
Pflegegrad 2 ohne eingeschränkter Alltagskompetenz
Tägliche Grundpflege: 30 – 127 Minuten
Psychosoziale Unterstützung: bis zu 1x täglich
Nächtliche Hilfen: 0 -1 mal Präsenz tagsüber: Nein
Pflegegrad 2 mit eingeschränkter Alltagskompetenz
Tägliche Grundpflege: 8 – 58 Minuten
Psychosoziale Unterstützung: 2-12x pro Tag
Nächtliche Hilfen: Nein
Präsenz tagsüber: weniger als 6 Stunden
Leistungen bei Pflegegrad 2
Geldleistung ambulant: 316 €
Geldsachleistung ambulant: 689 €
Pflegegeld stationär: 770 €
Pflegegrad 3 Schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
Pflegegrad 3 ersetzt zukünftig die Pflegestufe I (mit eingeschränkte Alltagskompetenz) und Pflegestufe II (ohne eingeschränkte Alltagskompetenz). Eine wichtige Änderung ist, dass nun nicht mehr die Zeit als Messmethode genommen wird, sondern eine Punktevergabe erfolgt. Die Anzahl der Punkte wird dann in eine Skala übertragen und daraus der Pflegegrad ermittelt. Der Pflegegrad 2 wird denjenigen zugesprochen, die einer schweren Beeinträchtigung der Selbstständigkeit unterliegen und die bei der Pflegebegutachtung auf 47,5 bis 69,5 Punkte kommen.
Voraussetzungen
Pflegegrad 2 ohne eingeschränkter Alltagskompetenz
Tägliche Grundpflege: 131–278 Minuten
Psychosoziale Unterstützung: 2-6 mal pro Tag
Nächtliche Hilfen: 0-1 mal
Präsenz tagsüber: weniger als 6 Stunden
Pflegegrad 3 mit eingeschränkter Alltagskompetenz
Tägliche Grundpflege: 8–74 Minuten
Psychosoziale Unterstützung: 6 mal pro Tag bis ständig
Nächtliche Hilfen: Nein
Präsenz tagsüber: 6-12 Stunden
Leistungen bei Pflegegrad 3
Geldleistung ambulant: 545 €
Geldsachleistung ambulant: 1.298 €
Pflegegeld stationär: 1.262 €
Pflegegrad 4 Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
Pflegegrad 4 ersetzt zukünftig die Pflegestufe 2 (mit eingeschränkte Alltagskompetenz) und Pflege Stufe 3 (ohne eingeschränkte Alltagskompetenz. Eine wichtige Änderung ist, dass nun nicht mehr die Zeit als Messmethode genommen wird, sondern eine Punktevergabe erfolgt. Die Anzahl der Punkte wird dann in eine Skala übertragen und daraus der Pflegegrad ermittelt. Der Pflegegrad 4 wird denjenigen zugesprochen, die einer erheblichen Beeinträchtigung der Selbstständigkeit unterliegen und die bei der Pflegebegutachtung auf 70 bis 89,5 Punkte kommen.
Voraussetzungen
Pflegegrad 4 ohne eingeschränkter Alltagskompetenz
Tägliche Grundpflege: 184 – 300 Minuten
Psychosoziale Unterstützung: 2-6 mal pro Tag
Nächtliche Hilfen: 2-3 mal Präsenz tagsüber: 6-12 Stunden
Pflegegrad 4 mit eingeschränkter Alltagskompetenz
Tägliche Grundpflege: 128-250 Minuten
Psychosoziale Unterstützung: 7 mal pro Tag bis ständig
Nächtliche Hilfen: 1-6 mal
Präsenz tagsüber: rund um die Uhr
Leistungen bei Pflegegrad 4
ambulant: 728 €
Geldsachleistung ambulant: 1.612 €
Pflegegeld stationär: 1.775 €
Pflegegrad 5 Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung
Pflegegrad 5 ist der höchste Pflegegrad und ersetzt zukünftig die Pflegestufe III mit dem Zusatz „Härtefall“. Eine wichtige Änderung ist, dass nun nicht mehr die Zeit als Messmethode genommen wird, sondern eine Punktevergabe erfolgt. Die Anzahl der Punkte wird dann in eine Skala übertragen und daraus der Pflegegrad ermittelt. Der Pflegegrad 5 wird denjenigen zugesprochen, die einer schwersten Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit mit besonderer Anforderung an die Pflegerische Versorgung unterliegen. Außerdem müssen sie bei der Pflegebegutachtung (NBA) über 90 Punkte erhalten.
Voraussetzungen
Tägliche Grundpflege: 24-279 Minuten
Psychosoziale Unterstützung: mindestens 12 mal pro Tag
Nächtliche Hilfen: mindestens 3 mal Präsenz tagsüber: rund um die Uhr
Leistungen bei Pflegegrad 5
ambulant: 901 €
Geldsachleistung ambulant: 1.995 €
Pflegegeld stationär: 2.005 €
Was passiert bei einer schon bestehenden Pflegestufe?
Bei einer schon bestehenden Pflegestufe wird automatisch zum 01.01.2017 wie folgt auf die Pflegegrade umgestellt:
Was passiert mit meiner bestehenden Pflegeversicherung
Es wird für alle bestehenden Pflegeversicherungen ein Umstellungsangebot auf die zukünftigen Pflegegrade erstellt werden. Maßgabe ist dabei die bereits versicherte Pflegeleistung auf dem gleichen Leistungsniveau zu halten. Wir gehen davon aus, dass ab September 2016 die Versicherungsgesellschaft die Umrechnungen fertiggestellt haben und an die Kunden dann die Umstellungsangebote verteilen. Selbstverständlich halten wir, von den Pflegeversicherung Spezialisten, Sie auf dem laufenden.
Bei Fragen oder Unklarheiten stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Sollte ich noch in diesem Jahr eine Pflegeversicherung abschließen?
Diese Frage ist eindeutig mit „JA“ zu beantworten!
Mit der Umstellung werden auch komplett neue Tarife entwickelt. Aus den Reihen der Versicherer wissen wir, dass insbesondere die Gesundheitsfragen verschärft werden und damit schon bei geringeren Vorkrankungen eine Ablehnung möglich ist.
Die Vorteile im Überblick
Günstiger durch früheres Eintrittsalter
(Je später der Vertrag beginnt, desto höher der Beitrag) Mit dem Alter nimmt im Normalfall die anfällig für Erkrankungen zu. Daher sollte man beachten, dass die monatlichen Beiträge der Gesellschaften auch mit dem Alter steigen. Die Gesellschaften kalkulieren immer mit dem Eintrittsalter und dem Gesundheitszustand des Antragsstellers. Daraus folgt umso älter eine Person bei Vertragsabschluss, desto höher ist der Beitrag für Pflegezusatzversicherung. Außerdem gibt es viele Anbieter die ein ein maximales Aufnahmealter von 65 oder 70 Jahren haben.
Einfachere Gesundheitsfragen
Schon jetzt müssen wir feststellen, dass die Anbieter einer Pflegezusatzversicherung in regelmäßigen Abständen ihre Gesundheitsfragen überarbeiten und immer mehr Krankheiten zum K.O. Kriterium erklären. Krankheiten die vorher bei Antragsstellung keine Rolle gespielt haben, führen jetzt zur Ablehnung. Experten gehen davon aus, dass mit der Einführung der neuen Pflegetarife 2017 die Gesundheitsfragen nochmals verschärft werden.
Aktueller Gesundheitszustand
Niemand weiß was die Zukunft bringt. Wer heute noch Top Fit und gesund ist, kann schon morgen aufgrund eines Unfalles oder einer Krankheit auf die Hilfe Anderer angewiesen sein.
Gesetzliches Umstellungsrecht
Viele der aktuell angebotenen Pflegeversicherungen enthalten in ihren Vertragsbedingungen eine Option auf Tarifanpassung bei einer Reform der sozialen Pflegeversicherung. Wenn also aufgrund einer Reform der gesetzlichen Pflegeversicherung die Gesellschaften neue Tarife entwickeln, hat der Kunde die Möglichkeit in diese ohne erneute Gesundheitsprüfung zu wechseln.
Umstellung der Pflegestufen in Pflegegrade (Ein Kommentar)
Der Gesetzgeber hat mit der Verabschiedung des Pflegestärkungsgesetz II einen wichtigen Schritt zur Umstrukturierung der Finanzierung in der Pflege getan. Insbesondere wird das alte, oft als subjektiv und unfair kritisierte Verfahren zur Beurteilung der Schwere einer Pflegebedürftigkeit, komplett erneuert. Mit dem neuen Begutachtungsassessment (NBA) wird allein der Grad der Selbständigkeit zur Beurteilung des Pflegegrades herangezogen. Personen mit demenziellen Erkrankungen werden finanziell ab dem 01.01.2017 besser gestellt.
Insgesamt führt die Entwicklung mit den neuen Leistungen in den Pflegegrade dazu, dass insbesondere in den unteren Pflegegraden 1-3 eine Unterbringung im stationären Pflegeheim teurer wird. Der Staat gibt diese Veranwortung (Kosten) an die Familien des zu Pflegenenden ab, da viele sich das Pflegeheim nicht mehr leisten können. Es gilt – so lange wie möglich in der ambulanten Pflege bleiben.
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